Donnerstag, 4. Januar 2018

04.01.2018 Was ich noch zu sagen hätte...

Ich schlafe wunderbar auf der harten Matratze bis uns um 7 Uhr Elis Handy weckt. Ich schreibe ein paar WhatsApp Nachrichten und wir gehen um 8 Uhr zum Frühstück.

Zweisprachige Schlüsselanhänger

Dort lernen wir nicht nur den Leiter des NECC, sondern auch seine Nichte Ida kennen, die in Darmstadt Biotechnologie studiert und das erste mal seit sechs Jahren in die Heimat kommt, um einer Beerdigung beizuwohnen.

Wir erzählen lange über ihren und unseren Weg zwischen den Welten. Zum Beispiel wie schwierig sie es fand in der ersten Zeit ihres Studiums Anschluss an einen Freundeskreis zu finden, wie abgekühlt das Miteinander in Deutschland ist und wie es irgendwie gelingt, neben dem (fremdsprachlichen) Studium mit ihrem Job im Catering genug Geld für wohnen und leben zu verdienen. Sie hatte damals für dieses Vorhaben von ihren Eltern 8000 Euro bekommen und ihre in Deutschland lebende Cousine hat für sie gebürgt. Für die Leute im Nordwesten können wir uns das nicht vorstellen.

Wir erzählen ihr von den krassen Unterschieden zwischen der anglo- und frankophonen Region, die sie (sicher auch wegen ihrer Abwesenheit) nicht so gut kennt. Die frankophonen Menschen nehmen das nicht wahr, es ist auch nicht notwendig sich damit zu beschäftigen. Es erinnert mich doch sehr an die Zeit der DDR und BRD: während die Menschen im Osten (wenn möglich) Westfernsehen geschaut und sich vieles an Sehnsüchten auf den Westen fokussiert hat, haben die Menschen im Westen die DDR kaum wahrgenommen und sie konnten durch ihr Leben gehen ohne sich mit ihr und den Menschen dort auseinander zu setzen.

Das wäre doch mal eine super Doktorarbeit für einen Politikwissenschaftler: „Vergleich DDR/BRD und die anglophone Krise Kameruns“ von der Genese her, den Einflüssen der Bruderstaaten, der „Lösung“ durch den Bau einer Mauer, also Separation an Stelle von Föderation, bis hin zur friedlichen Formung einer Gesellschaft mit einer staatlichen Identität. Nicht dass „wir“ das auf die Reihe bekommen hätten ;)

Wir tauschen schließlich unsere Nummern aus, weil die Mädels vielleicht was mit ihr in Yaoundé unternehmen können, sollten sie wegen der Verlängerung ihrer Visa hier für länger bleiben müssen. Und ich habe ihr (und ihren kamerunischen Kommilitonen) angeboten, einmal Mainz oder Limburg zu zeigen, was sie sich wirklich einmal wünschen würden.

Ein 30cm Gekko im ECC

Die Verlängerung der Visa gestaltet sich kompliziert. Father Zeph kopiert, liest, spricht mit der Polizei und schickt uns schließlich ins lokale Bürgermeisteramt, um diverse Kopien beglaubigten zu lassen. Wir machen das mit Hilfe von Francline prompt und erfahren dann bei Father Zeph, dass eigentlich die Originale beglaubigt werden müssen?!? Er versucht es trotzdem. Wie lange es dauern wird und ob es funktioniert, kann man nicht sagen. Es ist fertig, wenn es fertig ist. Es ist noch unklar, ob die beiden dafür noch vor Ort bleiben müssen oder ohne ihre Pässe zurück nach Kumbo fahren können. Da aber am Wochenende die Bischöfe ins ECC kommen können Sie hier nicht länger wie noch eine weitere Nacht bleiben. Sie versuchen über ihre WhatsApp Gruppe der deutschen Kamerunfreiwilligen zu klären, wer in Yaoundé ist und sie ggf. mindestens für das Wochenende aufnehmen könnte. Spannend, gell? Die beiden sind sehr souverän und mutig in solchen Dingen.

Im ECC findet gerade eine Konferenz zum interreligiösen Dialog statt - wie das wohl hier abläuft?

Die Pforte des ECC

Danach gehen wir noch einmal ein bisschen in die Stadt „was richtiges“ essen. Real food. Wir finden eine Straßenküche wo es Spaghettiomletts mit Platains gibt. Das erste mal dass in einer Straßenküche ein Mann kocht.

In Yaoundé kann man Deutsch lernen

Auf dem Rückweg besuchen wir noch einmal die Basilika und kaufen wir noch Wasser und zwei frische Ananas (für zusammen 1400 Francs), die meine Koffer dann auf knapp 20 kg bringen. Das Straßenbild von Yaoundé ist im Vergleich zu Kumbo total aufgeräumt und ordentlich. Vor allem vermisst man hier den Staub total ;)

Die Straßen von Yaoundé

Ein Weihnachtsbaum!

Elisabeth übergibt mir noch einen Stapel persönliche Briefe an Familie und Freundinnen die ich zuhause verteilen darf. Ein paar Leute davon kenne ich noch nicht. Aber darin habe ich ja jetzt Übung und es hat sich bisher immer gelohnt, diese Personen aufzusuchen und kennen zu lernen.

Um 16 Uhr geht es dann mit Francline zum Flughafen. Unterwegs sehen wir einen fetten Protzgeländewagen deutschen Fabrikats - den ersten den ich hier sehe. Ich erkläre warum wir diese Wagen in Deutschland Hausfrauenpanzer nennen und dass sie bei uns überall rumfahren, ohne dass es im Gegensatz zu Kamerun „Gelände“ gibt. Er erzählt uns, dass diese Wagen schon nach ganz kurzer Zeit irgendwelche Kinderkrankheiten bekommen, Ersatzteile erst eingeflogen werden müssen und Hightechgeräte sind, die man ohne Computer nicht reparieren kann. Man findet auch niemanden der das macht. Also werden diese Fahrzeuge dann bald stillgelegt, weil sie nicht mehr gefahren werden können.

Mir fällt hier von Anfang an auf, dass die Bikes konsequent den Motor ausmachen, wenn wir einen Berg herunter fahren. Auch für 20 Meter machen die das. Klar: sie sparen damit auf den Tag gesehen erheblich Sprit, was den persönlichen Ertrag steigert. Dass das zudem gut für die Umwelt ist interessiert hier niemanden. Ist doch super, oder? Warum machen wir das nicht? Weil unsere Bremskraftverstärker, das ABS und bei Autos die Servolenkungen dann nicht mehr funktionieren und das zu gefährlich ist. Aha, und die Mopeds und Autos hier haben das natürlich nicht, wäre auch zu kompliziert zu reparieren. Hier fahren nur Bikes mit 125 oder 250 ccm Hubraum rum. Weil die einfach am wirtschaftlichsten sind und die 200 kg Beladung auch den Berg hochbekommen - zwar nur im ersten Gang mit Geduld aber macht ja nichts. Auch die Taxis fahren höchstens 100 km/h - manchmal wünscht man sich es wären weniger. Warum machen wir das nicht? Für uns ist das Auto oder Motorrad kein Fahrzeug sondern ein Statussymbol, das seinen Zweck auch durch Aufwertung unseres Egos erfüllt. Das soll jetzt keine Anklage sein, aber es ist doch ein Ausdruck unserer Prioritäten und Möglichkeiten, so wie es das auch hier in Kamerun ist.

Mit Francline sprechen wir über mehr solche europäische Lösungen auf afrikanische Probleme, und dass das nur eine einseitige Abhängigkeit zwischen Deutschland und Kamerun schafft, die man nachhaltig nicht als Hilfe - schon gar nicht als „Hilfe zur Selbsthilfe“ bezeichnen kann. Toll wäre doch, wenn wir aus der Position der überaus angesehenen Deutschen den Menschen hier dabei helfen könnten, wie sie ihre Probleme selbst lösen könnten. Weil sie ja hier die Experten sind und die omnipräsente Schwarmintelligenz hier so wahnsinnig gut Funktioniert. Durch die effektive und optimale Ausnutzung der  real existierenden Freiheitsgrade, die bei uns keiner kennt, ohne hier lange zu leben. Ja, ich weiß, das hört sich so einfach an. An der Praxis bekommt die GIZ sicher graue Haare.

Wir kommen am Flughafen an. Kiss&Ride, denn Francline wartet um die Mädels wieder zurück zu bringen. Zuerst wird mein Gepäck vom Zoll untersucht und ich habe Angst ich muss den Mädels die zwei Ananas aufladen - aber sie sind nur interessiert an Dingen aus Holz. Danach muss ich im inneren Bereich meine Koffer aufgeben und wir machen den Abschied in der Abflughalle so kurz und intensiv wie möglich. Ich danke den beiden für alles was sie in den letzten Wochen mit mir unternommen und mir ermöglicht haben. Für die Geduld wenn’s mehr als eine Meinung gab. Dafür dass sie mich für diese Zeit in ihre WG aufgenommen und alles mit mir geteilt haben. Ich bitte Sie ganz herzlichen alle Menschen von mir zu grüßen, die mir in diesen wenigen Tagen so sehr ans Herz gewachsen sind. Nicht zuletzt die Kinder, die mit ihrer strait-forward-Strategie alle physischen und psychischen Räume erobert haben, die man ihnen nicht mit strenger Direktive oder unter Androhung von Platzverweis verboten hat. Für das zweite Halbjahr Gottes Segen und noch viele tolle Erlebnisse und Erfahrungen! Wir flennen & trennen uns dann ohne großes winke-winke.

Für mich geht es dann nach dem problemlosen Checkin durch die Passkontrolle, dann irgendwann eine halbe Stunde später nach erneuter Ticket und Passkontrolle durch die automatische Sicherheitsschleuse, wo sie mir mein noch halb-volles Nobite Spray wegnehmen, dann erneut Ticket und Passkontrolle und ein weiterer manueller Sicherheitscheck mit Tasche auspacken und dem Gepiepse weil ich alles schon wieder eingepackt hatte ;) dann noch einmal das Gate wechseln und die Leute hatten irgendwie Probleme miteinander, denn sie haben nicht nur die Passagiere sondern auch sich untereinander ständig lautstark zurecht gewiesen. Aber ist mir eigentlich egal. So sicher bin ich noch nie eingecheckt worden.

Langestrecke ist Langweilig

Der Flug nach Douala startet pünktlich um dort nach 30 Minuten die anderen 90% Passagiere aufzunehmen. Ich schaue nach Bettina und Terry und finde sie in der letzten Reihe. Wir erzählen kurz über die intensiven Tage und verabschieden uns in eine kurze Nacht in der ich meinen Gedanken nachhänge und wegen der beengten Verhältnisse keinen Schlaf finde. Früher hätte es mich mehr gestört in permanentem Körperkontakt zu meinem Nachbarn zu sitzen ;) und meine Reise verläuft nach EU-Standards reibungslos.