Freitag, 22. Dezember 2017

22.12.2017 Leute, Leute

Die Nächte sind wenig lustig hier, denn ich habe oft irgendwelche dunklen erschreckenden Träume. Vielleicht liegt das ja an der Hexerei, die hier in Afrika noch so viele in ihren Bann zieht und laut Christa im November und Dezember am häufigsten folgen zeigt. Es könnten aber auch die Nebenwirkungen der Malariaprophylaxe sein. Morgens beim Wachwerden kommen mir hier wunderbare Gedanken und Erkenntnisse. Anscheinend dauert es einfach bis die Eindrücke des vorigen Tages sich nachts sortiert haben. Also finde ich liegenbleiben langweilig und so bin ich gegen acht schon mit einem Schlüssel in die Hütte gegangen und habe meine Gedanken aufgeschrieben.

Die Hühner der Nachbarn - wer findet die vier Küken

Eigentlich hätte ich mich dazu draußen in die Sonne gesetzt, aber mir war klar, dass dann sofort die Kinder bei mir wären und ich dann nicht mehr geradeaus denken kann. Die Kinds sind super süß aber auch maßlos raumgreifend und kennen keine Scheu sich in den Mittelpunkt der Welt zu stellen. Leider sind wir trotz Urlaub immer wieder unterwegs und können mit den Kindern nicht in Ruhe die Adventskalendertürchen öffnen.

Heute haben wir uns eine Sightseeingtour in Squares und ein Besuch in Shisong bei Ephraim, Ivolyn und Elis Orphanage (Waisenhaus) vorgenommen. Außerdem brauchen wir noch Wasser und das ein oder andere vom Markt.

Nach einem Frühstück brechen wir ins youth center auf und bringen Mr Paul in Abwesenheit von Father Francline einen Stapel Briefe für die neuen Freiwilligen und ein Päckchen von Fr Hußlein. Wir schauen uns noch die Kirche an, in die Eli und Christina drei Monate lang regelmäßig besucht haben. Total zweckmäßig ist die Halle, Neonröhren, Bauholz, Plastikstühle. Hinten drei Trommel und Percussions, vorne vier Xylophone. Alles scheint irgendwie selbst gebastelt aus Krepppapier ausgeschnitten zu sein. Ich kann mir gut vorstellen wie hier die Post abgeht, wenn im Gottesdienst afrikanisch gefeiert wird.




Danach geht es mit einem mit 6 Fahrgästen zzgl. Fahrer besetzten Taxi nach Squares, das Stadtviertel von Kumbo unterhalb des SAC. Dort gehen wir zunächst zu Edwin, der unterhalb der Kathedrale eine Pizzeria betreibt, um kurz Hallo zu sagen. Er ist ein interessanter Typ, der schon viel von der Welt gesehen hat und sich mit uns darüber gewundert hat, warum es in Kamerun trotz Kühen und Ziegen noch immer keinen Käse gibt, warum man hier trotz Zucker und Kakao keine Schokolade herstellt. Er findet die Idee auch super, Tee aus Kräutern und Früchten zuzubereiten - hier versteht man unter Tee immer nur schwarzer Tee. Wir versprechen auf jeden Fall wieder zu kommen.


Dann die Kathedrale von Kumbo. Hm. Groß, teilweise pappig bunt mit Kunstblumen geschmückt, eine große Krippe wird morgen im Gottesdienst mit Figuren versehen. Der Altar reicht von der Breite her für zehn Zelebranten. Die Mädels erzählen dass sie noch keinen Gottesdienst erlebt haben, den nur ein Priester zelebriert hat. Selbst die „Missionen“ (im Unterschied zu den parishes vergleichbar mit unseren Kirchorten) haben meist zwei Priester. Irgendwie kann ich mir nicht so gut vorstellen wie hier die Post abgeht.




Wir gehen zu Palast es hiesigen Fons, also des Königs. Die Geschichte dieser Dynastie entstammt tatsächlich der von Foumban, da eine Schwester des dortigen Fons von dort abgewandert ist und hier ihr eigenes Königtum gegründet hat. Wir stehen vor Comicähnlichen Zeichnungen auf einer Tribune des großen Platzes vor dem Palast, da spricht uns ein Mann an. Er hat sich gefreut dass wir uns für die Geschichte interessieren und offenbart uns, dass er Prinz John ist. Er würde uns den Palast zeigen, wenn wir Interesse hätten. Der Fon selbst sein nicht im Haus, da ginge das.

Der Platz vor dem Palast zum Freitagsgebet

Also das hat uns wirklich sehr gewundert und gefreut. Sicher, uns war klar dass wir ihm etwas dafür geben müssen, aber die Mädels noch nie von einem Freiwilligen oder einem Einwohner gehört, dass sie den Palast von innen gesehen hätten. Also gingen wir mit ihm durch diverse Gebäude und Höfe, er zeigte uns wo die Königin Mutter, die 17 Königinnen (5 in einem anderen Palast) und die vielen Prinzessinen wohnen - sie haben gerade mit vielen Kindern gewaschen und Wäsche aufgehängt. Wir gingen in den inneren Hof, einen Gerichtsplatz mit einem großen Stein in der Mitte und einer bemerkenswerten Akustik.

Der Secret Court

Es gibt viele Räume und Türen, die nur vom Fon benutzt werden dürfen, Wege nur für bestimmte Zwecke oder Anlässe. Er erzählt uns wie gerichtet wird und welche Zauberkraft in den Ritualen steckt. In einem zweiten großen Innenhof ist ein weiterer Gerichts- und Verhandlungsort.

Dieser Platz dient allgemeinen Versammlungen

Links vom Thron die Sieben Ratgeber mit drei Vertretern und hinter ihnen fünf Helfer, rechts vom Thron bestimmte Königinnen und Prinzessinnen. Wenn es eine Straftat gibt werden die Verdächtigen in diesen Hof vor den Fon geführt. Kommt es zu keinem Geständnis nimmt der Fon Erde von einem bestimmten Punkt im Hof und mischt sie mit Palmwein zu einem Brei. Ist jemand der beiden mit schuld beladen so wird er dieses Ritual nicht überleben, das wissen die Betroffenen und ähnlich zum Schwur vor unseren Gerichten kommt so die Wahrheit zu Tage. Die Prinzen selbst dürfen nicht im Palast wohnen, denn sie gefährden als Thronfolger das leben des Fons. Wer Nachfolger wird bestimmt eine Geheimgesellschaft zum Zeitpunkt des Todes des alten Fons. Wir gehen noch mit ihm in einen besonderen Raum, wo der erste komplett in rotem Staub gehüllte Thron der Dynastie steht.


Um den Raum betreten zu dürfen stecken wir in den Thron jeweils ein Geldgeschenk. Wir besuchten noch eine Schwester des Fons, bevor wir draußen auf der Straße mit ihm noch über die anderen Organe des Königtums sprachen. Die "Armee" hat ein extra Haus, das früher am Platz der heutigen Kathedrale steht.


Die Muslime haben direkt neben dem Palast ihre große Moschee, so würde den Katholiken der Platz oben gegeben um niemanden zu benachteiligen oder zu verärgern. Der Fon selbst hat alle Religionen, da er Repräsentant seines Volkes ist.

Die Moschee direkt neben dem Palast

Wir bedanken und sehr herzlich und verabschieden uns. Wir nehmen zwei Bikes nach Richtung Shisong und treffen zunächst Ephriam später noch kurz Ivolyn. Die beiden waren Freiwillige in Deutschland und ich überbringe die herzlichen Grüße von verschiedenen Menschen, die mich darum gebeten haben. Morgen werden wir erneut dorthin fahren um Ivolyn noch Geschenke zu bringen.

Unterwegs in Shisong

Dann gehen wir in die Kantine des Krankenhauses etwas essen und treffen dort zufällig Leute, die die beiden kennen. Überall werden wir herzlich willkommen geheißen. Und dann erst im Waisenhaus! Die Kinder und die Caretaker freuen sich wie wild über den Besuch von Eli, die dort für drei Monate am Morgen mit den Kindern und am Nachmittag mit den Erwachsenen gearbeitet hat. Sie überreicht ihr Weihnachtsgeschenk: ein Foto-Alphabeth mit Bildern, die sie im Orphanage mit den Kindern gemeinsam gemacht hat. Alle sind so happy und dankbar dass wir kaum noch dort loskommen. Wir machen noch ein Familienfoto und machen uns dann auf den Weg zu einem Freund der Eli einen Fön leihen kann.


Auf dem Rückweg nehmen wir das erste mal ein Bike zu dritt, gehen noch einkaufen und fahren dann mit den ganzen Sachen (u.a. 5 kg Mehl und 9 Liter Wasser) Taxi.

Ein total voller Tag. Ich werde nicht über WhatsApp online gehen in dieser Zeit hier. Mir wird klar wie unwichtig manches wird, wenn man Leute trifft, sich mit Kindern auseinander setzt, die kein leichtes leben haben (werden). Hier geht es oft genug darum, nur den nächsten Schritt richtig zu tun, damit man nicht scheitert. Vieles geht so vergessen, was fest zugesagt war, Termine bleiben auf der Strecke, Verabredungen gehen vergessen.