Samstag, 24. Februar 2018

Afterglow für Nachzügler

Hallo liebe Besucher meines Kamerun Reisetagebuchs 

Ich habe inzwischen viele schöne Rückmeldungen zu meinen Erzählungen bekommen und noch immer bekomme ich Anfragen von Menschen, die gerne meinen Blog lesen möchten. Nun ist der ja quasi falsch herum sortiert, so dass man sich vom ersten Eintrag nach vorne lesen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen.
Daher habe ich gerade eine pdf-Version mit etwa 175 Fotos gemacht, die man wie ein Buch lesen kann und die ihr hier herunterladen könnt. Wen nur die Texte interessieren kann auch diese Version verwenden.
Ich freue mich weiterhin über Eure Rückmeldungen zu den Texten per Email.
Viele herzliche Grüße, eric-:

Freitag, 5. Januar 2018

05.01.2018 Jedem Ende wohnt ein Anfang inne

Am Morgen des 5.1. um 8 Uhr nimmt mich meine Familie in Empfang und wir gehen am Flughafen in Squares zum Alex frühstücken. Ich kann nicht viel erzählen und bin hinlänglich überfordert mit den leckeren Sachen. Ich gebe den Schwestern und Manu die Briefe, die Eli für wie geschrieben hat. Alle müssen weinen, aber es ist nicht wirklich traurig, einfach nur intensiv. Eli schreibt so schön.

Wieder zu Hause. Körperlich.

Der restliche Tag ist geprägt von meiner Müdigkeit, dem Auspacken und Verteilen von Sachen, und meinen spontanen Erzählanfällen wenn mich was überkommt. Meine Mutter macht uns mein Lieblingsessen und zum Nachtisch gibt es die superleckere Ananas aus Yaoundé. Ich besuche nachmittags noch meine Oma, die im Sterben liegt und lese ihr den Brief von Elisabeth, erzähle von den Erlebnissen aus dieser Welt, in der so manche Dinge noch so sind wie bei uns vor 75 Jahren. Da sie ihr leben lang als Schneiderin gearbeitet hat findet sie es richtig interessant als ich davon erzähle wie mir Eli ein maßgeschneidertes Hemd hat anfertigen lassen. Eine motorgetriebene Nähmaschine ist eine totale Seltenheit. Mit meinem Bruder Christof und Naomi singen wir noch etwa fünf Volkslieder mit Gitarre. Oma Ria und ihre Zimmernachbarin sind total begeistert. Oma spricht oder singt den Text mit. Wir beten gemeinsam langsam das Vater unser, da sie das alleine nicht mehr hinbekommt.

Dieser erste Tag gehört mehr nach Kamerun als nach Hause. Als ich um neun Uhr alles für den nächsten Trip in den bayerischen Wald gepackt habe kuschel ich mich in mein Bett und schlafe bis zum nächsten morgen durch.

Mal sehen was bleibt. Ich lese nochmal meinen ersten Eintrag. Also ich hatte ja ganz schön Respekt vor Malaria und irgendwelchen Hygieneproblemen, dem Nichtvertragen irgendwelcher Lebensmittel. Im Endeffekt habe ich nur eine Nacht unter einem Moskitonetz geschlafen - die erste. Ich habe teilweise Leitungswasser getrunken, bin mit den Mädels ohne Helm zu viert mit einem Bike über Staubpisten gebrettert und habe alles probiert, was mir so angeboten wurde. Die Menschen haben mir ihre Tür, ihre Hand und ihr Herz geöffnet und ich habe es ohne sehr gerne genauso gemacht. Wir haben unsere Sorgen miteinander geteilt und sie wurden kleiner, wir haben unsere Freude miteinander geteilt und sie wurde dadurch viel größer.

Ich habe die Kontrolle abgegeben und es ist mir nicht leicht gefallen. Wenn ich etwas im Haus der beiden reparieren oder ändern wollte gab es Gruppenkeile. Hilfe anbieten ist auch schnell mal Übergriff, Vorschläge sind auch Schläge. Aber nach dem letzten Gespräch mit Father Francline und der Möglichkeit über Nachbarn Werkzeug auszuleihen wird in den nächsten Wochen sicher einiges von der Problemliste der Mädels verschwinden.

Ich war offline, zumindest was meine tägliche Email Konversation und WhatsApp angeht. Ich hatte nur selten Internet, ganz nicht wenn ich unterwegs war. Damit waren auch keine spontanen Absprachen möglich. Ich habe das als entspannend erlebt, weil ich nicht so viele Dinge parallel, gleichzeitig denken und bedenken musste. Ich werde aufpassen wie es damit weiter geht, wenn ich wieder allways-on bin. Hier sind die Leute ganz bei denen, die gerade bei ihnen sind. Das geht auch technisch oft nicht anders, denn wenn man so eng aufeinander sitzt oder aneinander hängt ist smartphoning nicht möglich.

Kamerun ist kein Traum, es ist eine andere Realität. Ich spüre Lust diese Erfahrung auch anderen Menschen zu ermöglichen. Allen voran meiner Familie aber auch vielen Freundinnen und Freunden, die weiter denken, sich eine andere als unsere deutsche Denkweise zumuten, sich für eine gerechtere Welt verantwortlich fühlen und sich dafür engagieren, die meine Liebe zur Musik und zum Tanzen teilen. Ich weiß wir sehr auch Eli und Christina diese Leidenschaft für Kamerun empfinden. Gerade deswegen hat sich Eli auch so sehr gefreut: dass ich komme und diese Welt mit ihr teile. Um jemanden zu haben, mit dem sie auch weiterhin darüber erzählen kann, der sie ein bisschen verstehen kann. Ich bin dankbar dafür. Ja, ich möchte sehr gerne wiederkommen. Ich werde wiederkommen. Und mir vielleicht noch eine andere Welt zumuten - Indien, Philipen... Schau mer mal.

Es war kein normaler Urlaub, kein normaler Familienbesuch, es war ein Anteilnehmen, auch eine Pilgerfahrt mit vielen Impulsen für meine Art, meinen Glauben zu leben. Ich habe auch erlebt, wie hilfreich und schön es ist, intensiv erlebtes am Ende eines Tages aufzuschreiben. Vielleicht auch im Wunsch es mit euch zu teilen und damit aus wenig viel mehr zu machen und aus schwerem leichtes. Vielen Dank für deine Mithilfe!

Und nicht verpassen:
http://eli-in-kamerun.blogspot.de
http://notizenauskamerun.blogspot.de

Donnerstag, 4. Januar 2018

04.01.2018 Was ich noch zu sagen hätte...

Ich schlafe wunderbar auf der harten Matratze bis uns um 7 Uhr Elis Handy weckt. Ich schreibe ein paar WhatsApp Nachrichten und wir gehen um 8 Uhr zum Frühstück.

Zweisprachige Schlüsselanhänger

Dort lernen wir nicht nur den Leiter des NECC, sondern auch seine Nichte Ida kennen, die in Darmstadt Biotechnologie studiert und das erste mal seit sechs Jahren in die Heimat kommt, um einer Beerdigung beizuwohnen.

Wir erzählen lange über ihren und unseren Weg zwischen den Welten. Zum Beispiel wie schwierig sie es fand in der ersten Zeit ihres Studiums Anschluss an einen Freundeskreis zu finden, wie abgekühlt das Miteinander in Deutschland ist und wie es irgendwie gelingt, neben dem (fremdsprachlichen) Studium mit ihrem Job im Catering genug Geld für wohnen und leben zu verdienen. Sie hatte damals für dieses Vorhaben von ihren Eltern 8000 Euro bekommen und ihre in Deutschland lebende Cousine hat für sie gebürgt. Für die Leute im Nordwesten können wir uns das nicht vorstellen.

Wir erzählen ihr von den krassen Unterschieden zwischen der anglo- und frankophonen Region, die sie (sicher auch wegen ihrer Abwesenheit) nicht so gut kennt. Die frankophonen Menschen nehmen das nicht wahr, es ist auch nicht notwendig sich damit zu beschäftigen. Es erinnert mich doch sehr an die Zeit der DDR und BRD: während die Menschen im Osten (wenn möglich) Westfernsehen geschaut und sich vieles an Sehnsüchten auf den Westen fokussiert hat, haben die Menschen im Westen die DDR kaum wahrgenommen und sie konnten durch ihr Leben gehen ohne sich mit ihr und den Menschen dort auseinander zu setzen.

Das wäre doch mal eine super Doktorarbeit für einen Politikwissenschaftler: „Vergleich DDR/BRD und die anglophone Krise Kameruns“ von der Genese her, den Einflüssen der Bruderstaaten, der „Lösung“ durch den Bau einer Mauer, also Separation an Stelle von Föderation, bis hin zur friedlichen Formung einer Gesellschaft mit einer staatlichen Identität. Nicht dass „wir“ das auf die Reihe bekommen hätten ;)

Wir tauschen schließlich unsere Nummern aus, weil die Mädels vielleicht was mit ihr in Yaoundé unternehmen können, sollten sie wegen der Verlängerung ihrer Visa hier für länger bleiben müssen. Und ich habe ihr (und ihren kamerunischen Kommilitonen) angeboten, einmal Mainz oder Limburg zu zeigen, was sie sich wirklich einmal wünschen würden.

Ein 30cm Gekko im ECC

Die Verlängerung der Visa gestaltet sich kompliziert. Father Zeph kopiert, liest, spricht mit der Polizei und schickt uns schließlich ins lokale Bürgermeisteramt, um diverse Kopien beglaubigten zu lassen. Wir machen das mit Hilfe von Francline prompt und erfahren dann bei Father Zeph, dass eigentlich die Originale beglaubigt werden müssen?!? Er versucht es trotzdem. Wie lange es dauern wird und ob es funktioniert, kann man nicht sagen. Es ist fertig, wenn es fertig ist. Es ist noch unklar, ob die beiden dafür noch vor Ort bleiben müssen oder ohne ihre Pässe zurück nach Kumbo fahren können. Da aber am Wochenende die Bischöfe ins ECC kommen können Sie hier nicht länger wie noch eine weitere Nacht bleiben. Sie versuchen über ihre WhatsApp Gruppe der deutschen Kamerunfreiwilligen zu klären, wer in Yaoundé ist und sie ggf. mindestens für das Wochenende aufnehmen könnte. Spannend, gell? Die beiden sind sehr souverän und mutig in solchen Dingen.

Im ECC findet gerade eine Konferenz zum interreligiösen Dialog statt - wie das wohl hier abläuft?

Die Pforte des ECC

Danach gehen wir noch einmal ein bisschen in die Stadt „was richtiges“ essen. Real food. Wir finden eine Straßenküche wo es Spaghettiomletts mit Platains gibt. Das erste mal dass in einer Straßenküche ein Mann kocht.

In Yaoundé kann man Deutsch lernen

Auf dem Rückweg besuchen wir noch einmal die Basilika und kaufen wir noch Wasser und zwei frische Ananas (für zusammen 1400 Francs), die meine Koffer dann auf knapp 20 kg bringen. Das Straßenbild von Yaoundé ist im Vergleich zu Kumbo total aufgeräumt und ordentlich. Vor allem vermisst man hier den Staub total ;)

Die Straßen von Yaoundé

Ein Weihnachtsbaum!

Elisabeth übergibt mir noch einen Stapel persönliche Briefe an Familie und Freundinnen die ich zuhause verteilen darf. Ein paar Leute davon kenne ich noch nicht. Aber darin habe ich ja jetzt Übung und es hat sich bisher immer gelohnt, diese Personen aufzusuchen und kennen zu lernen.

Um 16 Uhr geht es dann mit Francline zum Flughafen. Unterwegs sehen wir einen fetten Protzgeländewagen deutschen Fabrikats - den ersten den ich hier sehe. Ich erkläre warum wir diese Wagen in Deutschland Hausfrauenpanzer nennen und dass sie bei uns überall rumfahren, ohne dass es im Gegensatz zu Kamerun „Gelände“ gibt. Er erzählt uns, dass diese Wagen schon nach ganz kurzer Zeit irgendwelche Kinderkrankheiten bekommen, Ersatzteile erst eingeflogen werden müssen und Hightechgeräte sind, die man ohne Computer nicht reparieren kann. Man findet auch niemanden der das macht. Also werden diese Fahrzeuge dann bald stillgelegt, weil sie nicht mehr gefahren werden können.

Mir fällt hier von Anfang an auf, dass die Bikes konsequent den Motor ausmachen, wenn wir einen Berg herunter fahren. Auch für 20 Meter machen die das. Klar: sie sparen damit auf den Tag gesehen erheblich Sprit, was den persönlichen Ertrag steigert. Dass das zudem gut für die Umwelt ist interessiert hier niemanden. Ist doch super, oder? Warum machen wir das nicht? Weil unsere Bremskraftverstärker, das ABS und bei Autos die Servolenkungen dann nicht mehr funktionieren und das zu gefährlich ist. Aha, und die Mopeds und Autos hier haben das natürlich nicht, wäre auch zu kompliziert zu reparieren. Hier fahren nur Bikes mit 125 oder 250 ccm Hubraum rum. Weil die einfach am wirtschaftlichsten sind und die 200 kg Beladung auch den Berg hochbekommen - zwar nur im ersten Gang mit Geduld aber macht ja nichts. Auch die Taxis fahren höchstens 100 km/h - manchmal wünscht man sich es wären weniger. Warum machen wir das nicht? Für uns ist das Auto oder Motorrad kein Fahrzeug sondern ein Statussymbol, das seinen Zweck auch durch Aufwertung unseres Egos erfüllt. Das soll jetzt keine Anklage sein, aber es ist doch ein Ausdruck unserer Prioritäten und Möglichkeiten, so wie es das auch hier in Kamerun ist.

Mit Francline sprechen wir über mehr solche europäische Lösungen auf afrikanische Probleme, und dass das nur eine einseitige Abhängigkeit zwischen Deutschland und Kamerun schafft, die man nachhaltig nicht als Hilfe - schon gar nicht als „Hilfe zur Selbsthilfe“ bezeichnen kann. Toll wäre doch, wenn wir aus der Position der überaus angesehenen Deutschen den Menschen hier dabei helfen könnten, wie sie ihre Probleme selbst lösen könnten. Weil sie ja hier die Experten sind und die omnipräsente Schwarmintelligenz hier so wahnsinnig gut Funktioniert. Durch die effektive und optimale Ausnutzung der  real existierenden Freiheitsgrade, die bei uns keiner kennt, ohne hier lange zu leben. Ja, ich weiß, das hört sich so einfach an. An der Praxis bekommt die GIZ sicher graue Haare.

Wir kommen am Flughafen an. Kiss&Ride, denn Francline wartet um die Mädels wieder zurück zu bringen. Zuerst wird mein Gepäck vom Zoll untersucht und ich habe Angst ich muss den Mädels die zwei Ananas aufladen - aber sie sind nur interessiert an Dingen aus Holz. Danach muss ich im inneren Bereich meine Koffer aufgeben und wir machen den Abschied in der Abflughalle so kurz und intensiv wie möglich. Ich danke den beiden für alles was sie in den letzten Wochen mit mir unternommen und mir ermöglicht haben. Für die Geduld wenn’s mehr als eine Meinung gab. Dafür dass sie mich für diese Zeit in ihre WG aufgenommen und alles mit mir geteilt haben. Ich bitte Sie ganz herzlichen alle Menschen von mir zu grüßen, die mir in diesen wenigen Tagen so sehr ans Herz gewachsen sind. Nicht zuletzt die Kinder, die mit ihrer strait-forward-Strategie alle physischen und psychischen Räume erobert haben, die man ihnen nicht mit strenger Direktive oder unter Androhung von Platzverweis verboten hat. Für das zweite Halbjahr Gottes Segen und noch viele tolle Erlebnisse und Erfahrungen! Wir flennen & trennen uns dann ohne großes winke-winke.

Für mich geht es dann nach dem problemlosen Checkin durch die Passkontrolle, dann irgendwann eine halbe Stunde später nach erneuter Ticket und Passkontrolle durch die automatische Sicherheitsschleuse, wo sie mir mein noch halb-volles Nobite Spray wegnehmen, dann erneut Ticket und Passkontrolle und ein weiterer manueller Sicherheitscheck mit Tasche auspacken und dem Gepiepse weil ich alles schon wieder eingepackt hatte ;) dann noch einmal das Gate wechseln und die Leute hatten irgendwie Probleme miteinander, denn sie haben nicht nur die Passagiere sondern auch sich untereinander ständig lautstark zurecht gewiesen. Aber ist mir eigentlich egal. So sicher bin ich noch nie eingecheckt worden.

Langestrecke ist Langweilig

Der Flug nach Douala startet pünktlich um dort nach 30 Minuten die anderen 90% Passagiere aufzunehmen. Ich schaue nach Bettina und Terry und finde sie in der letzten Reihe. Wir erzählen kurz über die intensiven Tage und verabschieden uns in eine kurze Nacht in der ich meinen Gedanken nachhänge und wegen der beengten Verhältnisse keinen Schlaf finde. Früher hätte es mich mehr gestört in permanentem Körperkontakt zu meinem Nachbarn zu sitzen ;) und meine Reise verläuft nach EU-Standards reibungslos.

Mittwoch, 3. Januar 2018

03.01.2018 Reisen ist eine beschwerliche Angelegenheit

Um fünf Uhr holt uns Father Francline mit gepackten Koffern ab und wir sind gegen halb sechs auf der Straße nach Barmenda. Father Francline ist ein guter Fahrer, vielleicht liegt es auch daran dass wir ein Rosenkranzgebet aus dem Radio verfolgen.

Im Namen des Herrn

Später hören wir noch ein paar Predigten eines Protestanten aus Nigeria, der über die „Universty of tears“ spricht. In den Bergen vor Bamenda ist dann ein Tieflader samt Bagger umgestürzt und blockiert die gesamte Fahrbahn. Ich sehe unseren Bus schon abfahren, aber die Leute haben den Graben der Böschung rechts der Unfallstelle mit Wackersteinen aufgefüllt und unser Auto holpert mit Vierradantrieb und Gottes Hilfe auf der anderen Seite wieder auf die Fahrbahn.

Straßensperrung? Kein Problem...

In Barmenda angekommen fahren wir zuerst zum Bus und versuchen Karten für den Bus zu kaufen. Nach dem zweiten Anlauf trifft Father Francline dann einen Bekannten, der uns die Karten besorgt. Die Fahrt mit dem VIP Bus ins über 600 km entferne Yaoundé kostet 5600 Francs. Wir fahren dann um 9 Uhr noch zur Familie von Father Francline, wo ein herrliches Frühstück in einem großen Anwesen auf uns wartet. Leider haben wir nur eine viertel Stunde Zeit, denn wir müssen pünktlich um 10 Uhr am Bus sein. Nach diversen Verwicklungen und dem Auffüllen der verbliebenen Sitzplätze mit anderen wartenden Fahrgästen geht es schließlich um 11:20 Uhr tatsächlich los.

VIP Bus

Was also ist ein VIP Bus... ein Reisebus mit Schiebefenstern und fünf Kunstleder-Plätzen pro Reihe, so dass 70 Leute reinpassen. Man sitzt so eng, dass man immer mit den Nachbarn auf Tuchfühlung (Schweißaustauch) ist. Nach vorne gehen gerade so meine Knie hin, die Reihen stehen wirklich noch enger wie bei Ryanair. Der Fahrer fährt die ganze Zeit (über acht Stunden) durch und hält auch mal an wenn eineR der Fahrgäste mal muss. Unterwegs steigen „Heizdeckenvertreter“ ein und versuchen leidenschaftlich ihre Crems, Pillen, Zahnbürsten usw. an die Fahrgäste zu verkaufen. Erschreckender Weise mit Erfolg, obwohl die Geschichten und Behauptungen über Heilungen und Zweckmäßigkeit zum Haare raufen sind und wir das Gefühl haben, die Leute hier lassen sich krass für dumm verkaufen. Aber wir wurden ja nicht mit einbezogen, daher haben wir uns einfach nur unseren Teil gedacht.

Der Bus ist eine Schlagloch Suchmaschine, die Stoßdämpfer und Achsen krachen in den Kurven verdächtig. Wir hatten heute vier Passkontrollen. Das läuft so dass dann alle Passagiere mit ihrem Pass aussteigen, der leere Bus fährt auf die andere Seite der Kontrollstelle und dort steigen alle wieder ein. Beim Übertritt in den frankophonen Landesteil verlangt der Grenzschützer neben meinem Reisepass auch mein Impfbuch. Er behält meinen Pass ein, ich renne dem Bus hinterher, hole meinen Impfpass und er ist schließlich zufrieden.

Alltag am Wegesrand

Leider haben wir diesmal nicht in Makenene angehalten und haben daher von immerhin sehr leckeren Bananen, Gurken und Wasser gelebt. Schließlich in Yaoundé angekommen brauchen wir noch eine gute Stunde für den Riesenstau, bis unser Bus schließlich steht und wir dann auch glücklicherweise irgendwann alle Koffer haben. Ich habe eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet dass wir die bei den zig Säcken, Matratzen, Eimern und anderem Gerümpel noch aus dem Laderaum retten.

Ankunft nachts in Yaoundé

Christina ruft Francline an - nein es ist der Cousin von Father Francline, lebt in Yaoundé und fährt Taxi. Leider ist sein Taxi zugeparkt worden und er kann uns nicht fahren. Aber er hilft uns am Busparkplatz einen französisch sprechenden Fahrer zu gewinnen und wir sind um 21 Uhr im Episcopal Conference Center, wo wir uns ja schon auskennen. Die Mädels haben am Busparkplatz noch essen für uns gekauft (für mich etwas schärfer ;) und wir essen gemeinsam im Zimmer. Die Zimmer sind wirklich luxuriös mit warmer Dusche, die ich gleich mal mit Genuss benutze. Da wir im französischen Teil von Kamerun sind, flitzen im mobilen Wifi der beiden 210 ungelesene WhatsApp Nachrichten auf mein Handy. Die kann ich ja dann im Flugzeug morgen abarbeiten. Eli macht noch ein paar ihrer Zöpfe raus und wir liegen um halb zwölf hundemüde im Bett.

So anstrengend, aufreibend und unbequem habe ich das Reisen noch nie erlebt. Trotzdem sind die Menschen - und vor allem die Kinder - sehr geduldig. Ich fühle mich wie einbalsamiert durch die warme Dusche und freue mich auf eine ruhige Nacht.

Dienstag, 2. Januar 2018

02.01.2018 Finale in Kumbo

Um halb acht kommt Father Francline, da wir unsere Fahrt nach Yaoundé planen müssen. Wir wissen noch nichts und ich denke er hat auch nur eine Ahnung. Okay er kommt dann doch erst um halb neun, aber wir reden und planen - schließlich auch über den Zustand der Hütte der beiden. Er nimmt sich einen Schlüssel mit und möchte am Nachmittag den Gasherd austauschen. Der jetzige hat schon zwei mal gebrannt und es geht sowieso nur eine Flamme. Wir sprechen auch über den anstehenden Dienst der beiden und die Probleme mit den Visa.

Morgen um fünf geht es also los. Mein letzter Tag in Kumbo, das muss gebührend begangen werden. Zuerst gehen die Mädels in Bischofshaus um die Unterlagen für ihre Visaverlängerung zu holen. Ich bleibe zu Hause und Spüle, mache sauber, erzähle mich den Kindern und warte auf Claris, die Mitte Februar als neue Freiwillige nach Wicker kommt - bzw. in Weilbach in der Kita arbeiten wird. Sie ist doch etwas ruhig und scheu, aber sehr sympathisch. Ich glaube sie wird es in nicht leicht haben sich in unsere Welt einzufinden.

Schließlich fahren wir mit dem Taxi nach Mbve auf den Markt mein Weihnachtsgeschenk abholen (ein Maßgeschneidertes Hemd) und ein paar frische Sachen für die Fahrt einkaufen.

Unsere Schneiderin in Mbve

Auch holen wir Geld am Automaten, denn es kann sein dass die Mädels ein paar Tage in Yaoundé bleiben müssen, wenn es Probleme mit der Verlängerung gibt.

Dann fahren wir nach Squares und setzen uns in den Schatten der Kathedrale und genießen den Trubel. Mr Paul trifft uns und übergibt mir ein paar Briefe für Deutschland mit. Er ist ein beeindruckender Mann und wir wünschen uns ein herzliches „auf Wiedersehen“.

Therese kommt und wir gehen etwas zusammen essen in einem „Restaurant“, wo auch sie noch nicht war und wo es lauter regionale Sachen gibt. Ich esse wieder Ndole, diesmal mit gekochten Yams. Ich zahle am Ende für alle 2400 Francs und wir sind richtig satt.

Dann kommt nach Flora dazu und wir wechseln in eine Bar zwei Häuser weiter. Unterwegs treffen wir noch Erasmus, der in einer Kneipe sitzt und sich herzlich von mir verabschiedet - nicht ohne nochmal von den Notebooks zu reden. Ich trinke ein irisches Bier (nein, Guinness trinken die anderen, ich trinke Harp).

Abschied - nur für mich

Leider ist die Musik dort ziemlich laut, aber es gibt viel zu sehen.

Blick auf die Kreuzung in Squares

Philip kommt dazu, der mir noch einen Stapel Briefe für Deutschland übergibt. Als es schließlich komplett dunkel ist und Didimos aufgetaucht ist verabschieden wir uns von Flora und bringen Therese nach Hause.

Dort treffen wir gerade Thereses Mutter Elisabeth in der Feuerküche beim Gari rösten an und sie ist ein bisschen sauer, dass sie nicht wusste das ich jetzt schon gehe.

Gari in der Feuerküche von Elisabeth

Das ist so archaisch mit dieser Feuerküche, überhaupt nicht schmutzig oder stinkig, einfach, aber gemütlich. Schließlich hat sich dort die ganze Familie versammelt und die Wärme der Situation kommt nicht mehr nur vom Feuer. Percy drückt mich, die anderen erzählen was wir gemeinsam erlebt haben und Therese ärgert wie üblich Christina und Eli wegen irgendwas. Der Abschied fällt mir wirklich schwer, aber mit Blick auf die Zeit und die Tatsache dass noch niemand etwas für morgen gepackt hat mache ich dann den Anfang. Sie überreichen mir einen kleinen Sack geröstetes Gari und ich verspreche es mit meiner Familie zuhause in ihrer Gedenken zuzubereiten.

Wir gehen zurück zu Squares, kaufen noch 12 Liter Trinkwasser und verabschieden auch Philip. Mein letztes mal Bikefahren durch die Nacht. Als wir das letzte Stück vom SAC laufen kommt von hinten Father Francline mit Father Ruben angebraust und sie nehmen uns das letzte Stück mit. Aus  Nachmittag ist dann 20 Uhr geworden, aber sie bringen tatsächlich einen neuen Garherd. Ich schneide gerade den Schrank aus und zeige ihm die Löcher in der Außenwand, da steht Sr Miriam Dominique in der Tür und bringt auch noch ein paar Briefe.

So viele liebe Menschen habe ich hier kennen gelernt. Und Flora kommt es so vor, dass es mehr wie zwei Wochen war. Mir irgendwie auch. Inzwischen kann ich mich ziemlich unbeschwert hier bewegen, verstehe einiges mehr wenn man mit mir Pidgin spricht. Soll ich wirklich gehen wenn es am schönsten ist? Ich kann mir nicht vorstellen hier nicht noch einmal herzufahren. Es war ein sehr würdiger und schöner letzter Tag und diese Freunde haben mich in diesen letzten Stunden quasi zur Türe ihres Hauses begleitet. Danke für alles!

Montag, 1. Januar 2018

01.01.2018 Ein Geschenk Gottes

Nach der ausgedehnten Nacht die wir noch mit einem „Dinner for one“ abgeschlossen haben, haben wir uns entschlossen, heute morgen nicht in die Messe zu gehen. Ich bin aber um sieben Uhr aufgestanden und mir ist aufgefallen, dass ich für die letzten Nächte noch gar nicht bezahlt habe. Erst später erzählt mit Father Francline dass ich eigentlich überhaupt nichts zahlen sollte. Aber das finde ich total doof, ich nehme ja eine Leistung entgegen und kann mal schön wenigstens die hiesigen Preise bezahlen. Aber Geschenke ablehnen geht gar nicht. Und die kamerunischen Gäste in Deutschland die normalen Preise bezahlen lassen..?

Eli bekam gegen fünf eine SMS von Edith: Es ist ein Junge! 4300 Gramm und allen geht es gut. Als die Kinder von Edith bei uns auftauchen wissen sie es schon, sie sind ganz stolz. Edith hat nicht lange danach bei Eli angerufen und wir kündigen unseren Besuch an. Marie kommt aber noch mit einer großen Tasche mit schmutziger Kleidung und möchte sie bei (oder mit) uns waschen. Schließlich brechen wir um 13 Uhr zu Fuß nach Shisong auf, da heute Ghosttown und ein Feiertag ist.

Bevor wir im Krankenhaus ankommen treffen wir unterwegs noch Caretaker aus dem Weisenhaus. Eigentlich muss man hier nur rausgehen und die Zeit vergeht wie im Flug. Bei Edith geht uns das Herz auf. Eli und Christina nehmen den neuen Erdenbürger in den Arm.

Nachwuchs in der Familie

Edith hat eine wirklich enge Beziehung zu den beiden. Auch ich habe nun das Neujahrsbaby auf dem Arm.


Wir bedauern beide dass wir nicht mehr Zeit miteinander verbracht haben. Auch Erasmus treffen wir dort. Wir machen Fotos und wünschen allen Gottes Segen.

Das Krankenhaus in Shisong ist ein schöner Ort. In der Regenzeit ist sicher alles grün und saftig, was jetzt eher trocken ist.

Atmosphäre im Krankenhaus von Shisong

Aber immer noch gepflegt und voller blühender Blumen, ähnlich wie das Pastoral Center. Hier sehe ich das erst mal so etwas wie einen kleinen Spielplatz, das habe ich noch in keinem Kindergarten gesehen.

Ein Spielplatz im Krankenhaus
Dann machen wir uns wandernd auf die Suche nach dem königlichen Wasserfall von Shisong, den mir die beiden zeigen möchten. Leider finden wir ihn nicht, aber dafür einen wunderbar ruhigen Ort in den Hügeln hinter Shisong. Hier machen wir Pause, essen Bananen und ruhen eine halbe Stunde aus.

Farne wie bei uns

Eine Hütte im Wald

Bananenstauden

Hier hat jemand seine Farm

Exoten die mir sehr gefallen

Auf dem Heimweg

Zurück in Shisong finden wir trotz Ghosttown ein Taxi, in dem wir dann zu siebt nach Squares zurück fahren. Ich war klatsch nass geschwitzt, Bike fahren ist deutlich komfortabler. Dann essen Christina und ich noch ein paar Fleischspieße aus einer Straßenküche und sind gerade noch im hellen zu Hause.

Rote Sonne über Kumbo

Blick nach Romajay

Wir duschen alle und dann kommt Norbert aus der Nachbarschaft vorbei und wir erzählen, ich koche Spaghetti mit einer Gemüsesoße und wir essen zu viert. Wir sind hundemüde. Norbert erzählt von der Neujahrsansprache von Paul Biya, der verspricht, die Straßen zu reparieren, Arbeitsplätze für die jugendlichen zu schaffen, 100 neue Health Center zu gründen und die Steuer- und Rentenverwaltung in die Hände von Northwest (nach Bamenda) zu legen. Norbert ist nicht gerade optimistisch dass das wirklich so kommt, aber das erklärt vielleicht warum es heute so ruhig auf den Straßen war.

Morgen wird ein voller Tag. Mein letzter in Kumbo. Es gibt noch so viel hier zu erleben, aber jetzt stehen die Zeichen auf Abschied. Seufz. Ich gehe bei Vollmond zurück zu meinem Schlafplatz.

Vollmond am Pastoral Center

Als ich „damals“ in Kumbo ankam war Neumond. Ich hoffe alles geht gut und wir kommen rechtzeitig in Yaoundé an. Bis jetzt hat Father Francline noch nicht auf die wiederholten Fragen der beiden reagiert. Aber ich vertraue mich meinem Optimismus an. Habe ich welchen? Kontrolle abgeben, den Moment genießen ;)

Sonntag, 31. Dezember 2017

31.12.2017 Vollmond und Sterne statt Böller

Das hat schon was am Sonntagmorgen früh aufzustehen, schon vor dem Frühstück durch die frische Luft zu gehen und einen schönen Gottesdienst zu feiern. Die Messe in unserer neuen Kirche von Bamki’Kay wurde heute morgen von Bischof George zelebriert. Es war so voll, dass wir gerade noch einen Platz bekommen haben. Die alte Kirche war für die wachsende Gemeinde zu klein geworden, deswegen haben sie eine neue gebaut und kurz vor Weihnachten erstmals benutzt. Heute ist das Fest der heiligen Familie und er hat das Motto „a Family that prays together stays together“ ausgerufen. Die Musik und der ganze Gottesdienst wurde heute nicht über Lautsprecher sondern rein akustisch gehalten. Ich fand das wirklich viel schöner, auch wenn ich das Pidgin nicht gut verstanden habe.

Die neue Kirche in Bamki'Kay

Bei uns halbiert sich die Zahl der Katholiken halbiert sich alle 11 Jahre, es werden Kirchen geschlossen und für die riesigen Pfarreien bleiben so wenige Priester, dass sie in Managementaufgaben ertrinken und kaum noch von Seelsorge gesprochen werden kann. Hier werden neue Parishes gegründet, mit den knappen Mitteln große zweckmäßige Kirchengebäude hochgerissen und es gibt mehr Priester wie Pfarreien. Für Kirchen kleiner Siedlungen, die hier Mission Stations genannt werden, gibt es regelmäßig Gottesdienste. Das was die Kirchen (nicht nur die katholische) hier anbieten passt und unterstützt wirklich die Lebenswelt der Menschen. Sie kommen über alle Generationen hinweg zu den Messen und so wie ich das wahrgenommen habe auch sehr gerne. Ich hatte früher als Kind so ein Gottesdienstbuch, in dem ein Bild war von jeder Menge Menschen, die am Sonntagmorgen zur Kirche strömen. Hier habe ich das das erste mal in echt gesehen - und zwar um 6:30 Uhr. Sicher arbeiten viele ja danach noch.

Ich bin überfordert zu erklären, warum hier die Vergemeinschaftung so viel besser läuft. Die Gemeinde begreift sich trotz der Größe als Familie, die miteinander betet und zueinander steht, sich gegenseitig unterstützt. Aber die existenziellen Fragen der Menschen sind hier auch wirklich spürbar. Und wir kümmern uns am Sonntag vor allem um unsere Erholung, Freizeit und Geld, also ein bisschen mit Luxusdingen. Wir müssen nicht täglich kämpfen, wir müssen mit uns selbst klar kommen. Der Anteil der Muslime liegt hier übrigens mit 30% deutlich über unserem. Es gibt noch die Baptisten und Reformierten.

In der Nachbarschaft der neuen Kirche

Um 9 Uhr gibt es hier ein ausgedehntes Frühstück mit Reis und Erdnusssoße von gestern. Danach machen wir einen Sonntagsspaziergang zu einer Höhle keine halbe Stunde Fußweg von der Hütte der beiden.

Der Weg zum Wasserfall

Wir laufen durch ein für die Trockenzeit sehr üppig grünes Tal, eher eine Klamm, klettern an Felsen nach unten.

Keine 15 Minuten von der Hütte der beiden

Palmzweige dienen auch als Brücke

Wir stehen schließlich in einer Höhle vor der der Bach einen kleinen Wasserfall bildet.

Eine Wellnessdusche

Wie im Paradies

Und der Bach fließt dann durch den vorderen Teil der Höhle wieder nach draußen. So was schönes. Wir machen ein paar Fotos.




Die Mädels waren jetzt zum dritten Mal hier und nicht zum letzten Mal. Ihre Mitfreiwilligen kennen die Höhle noch nicht und sie nehmen sich vor sie ihnen bald zu zeigen.

Auf dem Rückweg laufen wir durch die Schule von SAC. Da ja Sonntag ist sind alle Räume verlassen und wir können ein bisschen durch die Fenster schauen und den Schulalltag erahnen. Das Niveau der Tafelanschriften ist überraschend hoch.

Klassenzimmer der Oberstufe

Drehmoment auf Oberstufen-Niveau

Und die Grundschule hatte gerade einen Test in Geographie und Landeskunde - auch hier lohnt sich das lesen. Mich überrascht wie sehr die Kinder in Kamerun auf Europa schauen.

Tafel in der Grundschule

Silvester wird hier nicht wirklich gefeiert. Die Menschen haben kein Geld für sowas. Die Kinder schlafen einfach, die Erwachsenen sind deswegen zuhause und morgens um halb sieben ist ja wieder Gottesdienst. Wir machen ab drei ein ausgedehntes Mittagsschläfchen und kochen uns ab sieben Uhr einen leckeren Nudelauflauf - auf zwei mal, weil die Auflaufform (Backform) nur zwei Portionen fasst. Danach Plätzchen, Eli spielt Weihnachtslieder und wir trinken Kakao.

Vollmond zu Sylvester

Nudelauflauf ohne Käse

Wir gehen mit einem Vollmond im Zenit ohne Taschenlampe um viertel vor zwölf nach draußen auf den Bischofshügel zu einem schönen Platz mit Aussicht über die ganze Stadt. Tatsächlich! An zwei Stellen sind Knaller zu hören, hinter Squares sogar ein paar Raketen. Ansonsten ist der Stadt das neue Jahr nicht anzuhören. Schüsse klingen anders sagt Eli. Wir umarmen uns um Mitternacht und sprechen über die Dinge, die uns im neuen Jahr erwarten.

Frohes neues Jahr

Ruhiges Sylvester über Kumbo

2018 also. Viel Neues wird es für mich bringen. Vor allem eine neue berufliche Herausforderung mit neuen Menschen an einem neuen Ort. Wenn ich hier in dieser lauen Sommernacht stehe, kann ich doch richtig Silvester spüren, so wie das auch mit Weihnachten war. Aber der so ganz andere Alltag zu Hause ist mir noch sehr fern. Ich bin fast gespannt darauf wie sich das anfühlt als Warmduscher wieder online zu sein, und wie Kamerun bei mir bleiben wird.

Samstag, 30. Dezember 2017

30.12.2017 Ein ruhiger Tag

Als ich zuhause in Deutschland darüber nachgedacht habe was ich hier gerne machen möchte, ist mir sehr bald eingefallen, dass ich mir dringend den Mond und die Sterne hier ansehen muss. Beides ist hier (fast) am Äquator ja ganz anders. Den Mond habe ich in Kumbo gleich in der ersten Nacht begutachtet - tatsächlich: die Sichel liegt!

tatsächlich: die Sichel liegt

Abendstimmung auf SAC

Und der Sternenhimmel ist hier auf 2000 Meter atemberaubend, aber ich bin einfach zu müde. Ich pack’s nicht. Andere Sachen sind einfach wichtiger. Also irgendwie ist das schon komisch. Die existenziellen Sorgen lassen keinen Raum für solche Luxusthemen.

An diesem Morgen bin ich gegen 8 Uhr bei den Mädels und schaue mir einiger meiner Fotos an. Mir wird klar dass auch die Fotos die wesentlichen Dinge nicht erklären. Aber es wird klar dass man sich in dieses Land schon verlieben kann. Selbst in der staubigen Trockenzeit. Unsere morgendliche Besucherin Marie ist heute besonders leise und freundlich zu mir. Und so schlafen die beiden bis 10 Uhr. Nach dem Frühstück bügelt Eli und dann waschen wir unsere roten Kleider bis sie wieder ein paar andere Farben zeigen. Das sollte für mich jetzt bis zu meiner Abreise reichen. Der Wäscheständer ist schon die ganze Zeit total wackelig und da jetzt noch die Leine gerissen kommt das auf die Einkaufsliste. Ich habe mein Taschenmesser in einer Hose von mir wiedergefunden und hobele damit die beiden Türen von Eli so dass sie nicht mehr so krass krachen wenn man sie aufmacht. So nimmt der Tag seinen Lauf, ohne dass es irgendein Treffen oder Termin gibt. Auch ganz schön.

Um 14:30 Uhr fahren wir mit zwei Bikes und drei Rucksäcken auf den Markt nach Mbve um unsere lange Liste abzuarbeiten. Da am Montag wahrscheinlich Ghosttown ist müssen wir ein paar Vorräte anhäufen.

Erdnüsse in allen Arten

Wir waren bei der Schneiderin und die zwei Sachen abzuholen die sie für mich gemacht hat. Der Stoff und das Hemd sieht spitze aus, aber es ist zu klein. Wahrscheinlich hat sie die Maße nicht sauber abgenommen oder nichts für die Nähte zugegeben. Am 2. muss ich also nochmal hin.

Bei der Schneiderin in Mbve

Die Mädels haben heute durch einen Zufall das erste mal in Lamnso eingekauft. Eine Marktfrau hat sie lächelnd auf Lamnso angesprochen und gefragt was sie kaufen möchten. Sie hat das eigentlich nicht ernst gemeint, weil Weiße das eigentlich nicht können. Und die beiden haben sich kurz ausgetauscht und dann auf Lamnso eingekauft. Die Frauen hinter dem Stand fanden es so toll, dass die beiden das einigermaßen können. Das ist für die Menschen hier so eine große Wertschätzung wenn man ihre Heimatsprache verwendet. Ab und zu haben sie sich auf englisch rückversichert. Als wir bezahlt hatten haben die beiden sich abgeklatscht und das fanden die Frauen erst recht toll! Lamnso ist die Sprache des Nso-Volkes, dass sich ausschließlich auf Kumbo und seine umliegenden Dörfer erstreckt und durch den hiesigen Fon vertreten wird. Wirklich geschrieben wird Lamnso eigentlich nicht, aber hier in der Hütte hängt ein Lamnso Alphabet mit Bildchen für die einzelnen Buchstaben. Die Sprache hat ein deutsches Lautspektrum und wenn wir einen Lamnsotext vorlesen klingt das ziemlich gut. Lamnso hat nicht nur Laute sondern unterscheidet auch deren Betonung am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Wortes.

Die Mädels lieben es nach Stoffen zu suchen

Wo wurden die nochmal bedruckt?

Wieder zuhause geht es ans kochen und wir essen Reis mit einer afrikanischen Erdnusssoße nach einem Rezept von Flora. Verschiedene Sorten von Erdnüssen wachsen hier und sind sehr günstig. Man kann sie sich gleich am Stand mahlen lassen und wir haben bisher jedesmal Erdnüsse gekauft. Christina hat eine Sorte mit Öl und Salz angeröstet - köstlich. Die Soße selbst hat mir nicht so gut geschmeckt, ich hätte mir noch nachwürzen können.

Abends macht Eli dann noch Kartoffelchips in der Pfanne und ich habe ganz frische Avocados zu einer Guacamole gemacht. Wie gesagt: zum Abnahmen kommt man hier irgendwie nicht.

Der Tag so ganz ohne Kontur hat mir gut getan. Ich habe durch die trockene Luft und den Staub oft Nasenbluten aber ansonsten bin ich sehr entspannt was Ameisenbisse, Wespen und Moskitos angeht. Heute habe ich das erste mal über die nächste Woche nachgedacht und dass es schon wieder zu Ende geht mit meinem afrikanischen Familienbesuch. Aber es gibt noch viele Stunden und Momente zu erleben und zu genießen. Heute hat Eli mir auf dem Markt gesagt: Merk dir den Geruch die Geräusche und die Atmosphäre für Zeiten, in denen es dir nicht gut geht. Ich glaube sie hat recht. Ich bemühe mich. Morgen früh um halb sieben ist die Messe in Bamki-Kay.