Sonntag, 24. Dezember 2017

24.12.2017 Weihnachten mal anders

Wir waren heute morgen um 7 Uhr in Melim, einem Nachbarort von Kumbo, zu einer Thanksgiving Messe von Flora und ihrem Mann Didimos eingeladen. Wir wurden morgens mit einer Viertelstunde Verspätung von Didimos Bruder mit einem Taxi mitgenommen. So kamen wir kurz nach 7 erst dort an, haben aber noch einen schönen Platz in der vorletzten Reihe bekommen. Hier sind die Messen so früh weil die Leute vorher nichts essen - wie früher bei uns. Der sehr einfache Gottesdienstraum war voller Kinder, Erwachsener und Alter Menschen (nach Häufigkeit ;). Er wurde in einer Mischung aus Lamnso, Pidgin und Englisch zelebriert. Die Musikgruppe an Xylophonen, Trommeln und ändern Rhythmusinstrumenten war wirklich sensationell gut!

Besonders bemerkenswert finde ich die Gabenprozession (Offertry), also der Teil wenn bei uns die Messdiener mit den Klingelbeuteln rumgehen. Das läuft hier krass anders: insgesamt kann das hier auch mal eine Stunde dauern. Es wird für verschiedene Gruppen oder Zwecke gesammelt, wobei aus jeder Gruppe ein Mitglied vor dem Altar mit einem Körbchen oder Eimer steht. Die Leute gehen - nein, sie Tanzen zu der Musik oder den Liedern nach vorne und bringen ihre Gabe. Dabei werden mehrere Lieder gesungen. Manchmal wird auch einfach nacheinander gesammelt, so dass die Leute mehrfach nach vorne tanzen. Bei uns war es so, dass die Familie von Flora sich zuerst draußen zu einer Gabenprozession aufgestellt hat und dann sind alle in einer langen Reihe nach vorne getanzt. Es ist ein superschönes Element, alle sind richtig gut drauf und auch die ganz alten Leute lassen sich dabei mit lumpen.

Ich habe mich auch gefragt ob das nicht Druck aufbaut, so dass jeder sieht wer für was etwas gibt. Aber ich habe das Gefühl jeder gibt was er kann - und das scheint mir bei der wirklich schwierigen Situation der meisten Familien wirklich viel zu sein. Auch ist beeindruckend wie viele Gruppierungen es in einer Gemeinde gibt, die teilweise an gleichen Kopftüchern zu erkennen sind. Flora ist eine sehr engagierte Frau und wir sind mit der von ihr geleiteten Gruppenstunde (Kadetts of Jesus) nach vorne getanzt. Es ist - anders wie bei uns - ein echtes Fest, eine Feier.

Lange noch denke ich darüber nach wie sich Kirche hier und zu Hause über die Christen finanziert, wie die Art des gezielten und öffentlichen Gebens im Kontrast steht zu unserem "gerechten genommen bekommen" und wie sich die Leute hier und zu Hause mit ihrer Kirche verbunden fühlen...

Lustig war auch, das zu Beginn der Gabenprozession der Zelebrant Father Elvis erst mal mit dem Auto weggefahren ist und dann später wieder aufgetaucht ist. Die Mädels haben angemerkt, dass sie es Father Francline zutrauen, dass er während dieser Zeit irgendwo einen anderen Gottesdienst „startet“ und zwei am laufen hat ;)

Ein Gottesdienst in Kamerun dauert schon mindestens zwei Stunden, eher länger. Die Predigt ist lang aber kurzweilig, weil immer wieder gelacht und mit Zwischenrufen kommentiert wird. Bevor der Zelebrant das Tagesgebet erreicht hat die Gemeinde schon vier Lieder gegroovt, von dem jedes mindestens 5 Minuten braucht. Viele kommen auch einfach später, so dass es gefühlt zur Gebenprozession am vollsten ist. Also für die Mädels ist das hier alles schon ganz schön normal, ich kann mich nicht sattfühlen daran und bin ständig am grinsen was für eine gute Zeit die Generationen miteinander im Gottesdienst haben.

Danach waren wir bei der Familie zum Essen eingeladen und haben zur Feier des Tages ein Huhn geschlachtet, auf der Feuerküche gebraten und dann gegessen.



Sie hatten ein tolles Buffet aus kamerunischen Speisen in ihrem neuen Haus vorbereitet.


Ich habe das erste mal Palmwein getrunken, der ziemlich sauer aber je nach Reifegrad auch mal mehr Alkohol hat. Die Gerichte sind für meinen Geschmack nicht so lecker, aber die angeknabberten Spezialitäten wurden liebend gerne von den Kindern weitergefuttert.

Wir viele schöne Gespräche geführt. Ein etwas älterer Mann, der auch Berater des Nso Fon zu sein scheint, hat uns sehr herzlich begrüßt und Lobeshymnen auf das deutsche Volk und seine Verdienste in Kamerun angestimmt. Wir drei haben mit ihm unsere Sichtweise der Dinge geteilt aber ich habe nicht das Gefühlt, dass sich an seiner Meinung bzgl. der Kolonialzeit etwas geändert hat. Wir haben über die Analogien zur deutschen Teilung und Wiedervereinigung gesprochen, über staatliche (Über)Regulierung und Verlässlichkeit. Das dritte Reich und das daraus folgende Trauma hat Deutschlands Außenpolitik bis heute im positiven Sinne geprägt, Entwicklungsberatung aus Deutschland hat höchstes Ansehen hier.

Wieder zuhause angekommen bereiten wir unser Weihnachtsessen vor: Selbstgebackenes Dinkelbrot mit Kürbiskernen, zwei Ofenkäse und ein Salat mit verschiedenen Gemüsen, vor allem extrem leckere Avocados.



Zum Nachtisch gibt es Obstspieße aus den hier wachsenden Ananas, Orangen (gelbe Schale!) veredelt mit einer geschmolzen Milkaschokolade. Nach dem Essen haben wir uns die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und ein paar Lieder gesungen. Beim Nachtisch habe ich mir mein Hemd mit Schokolade verziert, gleich gewaschen und aufgehängt - das trocknet hier in der Trockenzeit halt echt schnell.


Um sieben Uhr geht es dann in die Mette in die neue Kirche nach Bam Ki-Kai. Fenster sind noch keine drin, die Bänke stehen auf Beton und Erde und 10 Energiesparlampen erhellen den Raum. Die Musik wird von einem Keyboard unterstützt und manchmal habe ich den Eindruck sie arbeiten gegeneinander. Einmal ist mitten beim Singen der Strom ausgefallen und man sah nur noch die zwei Kerzen auf dem Altar. Sie haben einfach weiter gesungen und es war viel schöner als vorher.

Die Predigt war in Pidgin und hatte ein interessantes Thema zur politischen Lage hier: Auch damals gab es Unterdrückung durch die Römer, die Menschen mussten sich in Listen eintragen lassen. Es gab nicht mal ein Bett zum übernachten für eine hochschwangere Frau. Josef und Maria beschweren sich nicht, klagen nicht an und kämpfen sondern gestalten das Unvermeidbare. Die liebe Gottes und der Friede findet einen Weg in die Welt. Und der unscheinbare Stall gelangt zu Weltruhm, weil das der richtige Weg ist. Die Kirche im anglophonen Konflikt hier steht klar auf der Seite der Unterdrückten aber ausschließlich unter der Bedingung der Gewaltlosigkeit.

Der zweite Gottesdienst für heute war tatsächlich nach zwei Stunden um. Nach dem der Segen verklungen war sind wir noch einmal zur Krippe vor gegangen. Alle Figuren sind von weißer Hautfarbe, ein König ist schwarz. Das Singen hatte noch nicht aufgehört und immer mehr singende und tanzende Leute kommen zur Krippe und feiern, rufen, umarmen sich und andere. Es war wirklich beeindruckend wie ausgelassen und fröhlich Weihnachten sein kann.


Wir sind schließlich und halb zehn wieder zuhause, packten noch die kleinen Geschenke auf und aßen ein paar Plätzchen, die vor allem Christina in extrem aufwändiger liebevoller Handarbeit der bescheidenen Küche abgetrotzt hat. Da es morgen um 6 Uhr zum großen Weihnachtsgottesdienst in die Kathedrale geht liege ich schon um 23 Uhr im Schlafsack.